Fernab der Zivilisation verläuft entlang der Westküste der USA ein 4277 km langer Wanderweg genannt "Pacific Crest Trail". Zu Fuß benötigt man mehr oder weniger fünf Monate, um von der mexikanischen Grenze nordwärts, Kalifornien, Oregon und Washington zu durchqueren, um schlussendlich Kanada zu erreichen. Jedes Jahr starten ein paar Verrückte, um sich diesem Abenteuer zu stellen. In 2010 bin ich einer davon! ;)



Dienstag, 22. Juni 2010

Sommer, Sonne, Strand und Vorfreude

40. Tag (Meile 558)

Liege am Strand von Malibu und lasse mir die Sonne auf den Pelz scheinen. Insider werden sich jetzt fragen, wie kann der Kerl an der Küste sein, wo doch der Trail ca. 200km weiter im Inland verläuft. Nun, hierfür gibt es einen ganz einfachen Grund. Habe mich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen meine Wanderung zu beenden. Volle sechs Wochen auf dem Trail waren für mich genug. Freue mich nun total darauf wieder nach Hause zu kommen, wo Partner, Familie und Freunde mich erwarten. Nicht zu vergessen dieses kleine Bisschen mehr Luxus! Sich endlich wieder nach Belieben aus dem vollen Kühlschrank bedienen zu können, nachts in einem weichen Bett zu liegen und jederzeit eine saubere Dusche und eine Waschmaschine zur Verfügung zu haben. ;-) In der Zivilisation sind diese Dinge für uns alltäglich und wir machen uns schon lange keine Gedanken mehr darüber. Wenn man allerdings eine längere Zeit darauf verzichtet, lernt man sie sehr schnell wieder zu schätzen.

Habe auf dem Trail neue Erfahrungen gesammelt und Freundschaften geschlossen.Habe wunderschöne Landschaften gesehen, gefährliche Situationen gemeistert und mich wieder ein Bisschen mehr kennen gelernt. So bin ich zum Beispiel zu der Erkenntnis gelangt, dass mir alleine wandern auf Dauer zu langweilig ist. Sollte ich jemals wieder auf die Idee kommen eine solch lange Tour zu unternehmen, dann auf jeden Fall mit Partner.

Meinen Lesern möchte ich für ihre Treue und die netten, manchmal aufmunternden Worte danken. Es war schön, auf dem Trail immer mal wieder Neuigkeiten aus der Heimat zu hören und zu wissen, dass da Menschen sind die an mich denken.

Bis zum nächsten Abenteuer.
Snakeball

P.S.: Überredungsversuche könnt ihr euch natürlich sparen, da ich doch schon längst wieder zu Hause bin. ;-)

Freitag, 28. Mai 2010

Mojave Desert

39. Tag (Meile 558)

Wieso gibt es hier Büsche und Sträucher so weit das Auge reicht? Und warum trage ich eigentlich den ganzen Tag meine Fleece-Jacke statt im T-Shirt und kurzer Hose zu schwitzen? Muß wohl die Definition des Wortes "Wüste" nochmal im Wörterbuch nachschlagen! Ehrlich gesagt bin ich ja sehr froh über das Klima. 25Grad und ein stetiger Wind sind meine bevorzugten Wanderbedingungen. Hoffentlich bleibt es so. Nicht zu schwitzen heißt nicht zu stinken und da ich gewichtsbedingt keine Klamotten zum wechseln dabei habe, könnte es garnicht besser sein. Oh je, hoffentlich gehe ich nicht zu sehr ins Detail. Möchte ja niemanden vergraulen! ;-)

Wo wir schonmal bei diesen äußerst intimen Geheimnissen angelangt sind, kann ich ja auch fortfahren. An dieser Stelle möchte ich all diejenige von euch, die lieber keine pikanten Details hören möchten bitten, einen Absatz weiter unten mit Lesen fortzufahren!

Gerade in den ersten Tagen, nahe der mexikanischen Grenze, war es verflucht heiß. Hinzu kam, daß ich ja weder einen Sonnenhut noch Sonnencreme dabei hatte. Zu dieser Zeit wanderte ich zusammen mit Jackass (Shaun), der mir einige gute Tips gab. Er hatte zuvor schon rund 1000mi des PCT in Mittel-Kalifornien gewandert. Hatte also schon reichlich Erfahrung sammeln können. Er ist übrigens derjenige auf einem der ersten Fotos, der eine Klapperschlange auf seinen Trekkingstõcken spazieren trägt und ihm verdanke ich meinen ersten, von einem Touri gesponserten Hamburger! (Mittels seiner äußerst aufgeschlossenen Art brachte er "Bob" dazu, uns auf dem Campingplatz von "Lake Morena" zum Burgeressen einzuladen. Dank Kaloriendefizit der beste Burger allerzeiten, auch wenn er ausschließlich aus Brot, Tomate,Salatblatt und einem verbrannten Stück Fleisch bestand!) Jedenfalls hat mir "Jackass" den Tip gegeben, ohne Unterhose zu wandern. Das tue ich jetzt schon seid 6 Wochen und kann es für heiße Regionen nun uneingeschränkt empfehlen! Seine einzige Anmerkung war "But you have to give it an extra shake!". Die Leser des stärkeren Geschlechts werden wissen, was er damit gemeint hat! ;-) Für die UltraLeicht-Gemeinde möchte ich noch hinzufügen, dass ich durch diese Maßnahme wieder ein paar Gramm gespart habe. Die 2. Unterhose verbleibt sicherheitshalber im Rucksack. Die nächste Stadt kommt bestimmt!

So, kommen wir wieder zurück zu den jugendfreien Inhalten. Heute wandern, wie schon in den vergangenen Tagen, die "Disraeli Gear" hinter mir. Benannt nach irgendeinem bekannten Song der Rockband "Cream". Die drei, frisch aus der israelischen Bundeswehr entlassenen Jungs, teilen meine europäischen Ansichten und ich genieße es, mich abends im Camp mit ihnen zu unterhalten. Auf dem Trail entsprechen sie genau dem, was man sich unter einem Gänsemarsch vorstellt. Ihr Abstand beträgt niemals mehr als einen Meter! Vermutlich sind Das die Nachwirkungen des "Military service". Der Wind hat im Laufe des Tages permanent zugenommen und bevor ich unter einem umgestürzten Baum, nahe eines Baches, einen geeigneten Platz zum campen gefunden habe, versuchte ich eine passende Formulierung zum beschreiben der Wetterbedingungen zu finden. "Ishae", der Kopf der Israelis, grüßt mich mit einem "That is the strongest wind, I have ever been through!". Das ist exakt, was ich ausdrücken wollte! Normalerweise benutze ich meine Trekkingstöcke um schneller voran zu kommen. Heute habe ich sie dazu benutzt nicht vom Wind umgeweht zu werden.  Dies erklärt wohl auch, warum genau hier der größte Windpark steht, den ich je gesehen habe.

Snakeball

Sonntag, 23. Mai 2010

500

37. Tag (Meile 500)
http://maps.google.com/maps?q=loc:34.70949,-118.59354

Es gibt einen guten Grund zu feiern. Heute wird die 500. Meile überschritten. Leider läßt sich der Ort nicht exakt ausmachen. Mein GPS gibt mir eine andere Position, als der PCT-Marker und ein paar Hiker haben ein weiteres Zeichen gesetzt. Sicherheitshalber belohne ich mich an allen drei Stellen mit einem Schokoriegel! ;-)

Für den Trail gibt es einen ständig aktualisierten Wasser-Report. Die Einträge stammen von Hikern und normalerweise kann man sich auf die Angaben zu Trail-nahen Wasserressourcen verlassen. So "tanke" ich an einem Water-Cash zwei Liter, in der Gewissheit in ein paar Meilen die nächste Quelle zu finden. In diesem Fall handelt es sich allerdings um einen fast leeren Tank der Feuerwehr, in dem mindestens drei unterschiedliche Spezies toter Tiere schwimmen. Hinzu kommt, dass das Wasser selbst mit meinem Trekkingstock nicht zu erreichen ist. So verbringe ich die Nacht ohne Abendessen, in der Hoffnung dass wenigstens der nächste 6 Meilen entfernte Bach Wasser führt. Zum Glück werde ich nicht enttäuscht. Dennoch war dies die längste wasserlose Etappe seid Begin. Werde von nun an immer eine zusätzliche Sicherheitsreserve mitnehmen.

Michael

Dienstag, 18. Mai 2010

Ein Tag in den Wolken














35. Tag (Meile 478)
http://maps.google.com/maps?q=loc:34.61918,-118.40998

Dem aufmerksamen Leser wird meine Story ueber die bergab rollende Schlange sicher nicht entgangen sein. Selbstverstaendlich musste diese Geschichte auch abends im Camp erzaehlt werden. Hatte ein paar gespannte Zuhoerer und erntete einige unglaeubige Blicke. Dennoch schien dies der geeignete Anlass zu sein mir einen Trailnamen zu verpassen und so wurde ich offiziell "Snakeball" getauft.

Durchquere eine wuestennahe Region in den Bergen. Die Temperaturen ueberschreiten hier gerne mal 40Grad und der Trail verlaeuft stetig Bergauf. An einem normalen Tag muesste man literweise Wasser  trinken und  wuerde sich durch die Hitze quaelen. Heute ist dies anders. Laufe durch eine dicke Wolkendecke.  Es ist kalt, nass und windig. Fuer die entlang des Weges verteilten Notfall-Wasserkanister habe ich nur ein muedes laecheln uebrig. Die von Trailangels aufwendig eingerichtete "Hiker-Oase" mit Stuehlen, kaltem Bier, Cola und vor allem Schatten, die einem Hiker an heissen Tagen wie das absolute Paradies vorkommen muss, kann mich nicht locken. Mein Tagesziel ist die "Casa de Luna". Das beruehmt, beruechtigte Heim von Terrie und Joe Anderson. Glaubt man den Geruechten, ist es ein Ort endloser Feiern und Saufgelagen. DER Partyort auf dem Trail. Aufregend und Chaotisch! Bei dieser Art Geruechte darf man allerdings nicht ausser Acht lassen, wer sie in die Welt gesetzt hat. Man bedenke, dass unter Hikern bereits eine Dose Bier entlang des Trails eine nahezu euphorische Stimmung ausloest und so wundert es mich nicht, dass um Mitternacht schlagartig Ruhe herrscht und alle in ihren Schlafsaecken verschwinden! ;-) 

Michael

Sonntag, 16. Mai 2010

Hiker-Heaven

33. Tag (Meile 455)
http://maps.google.com/maps?q=loc:34.49682,-118.34386

Bin gerade aufgestanden und habe in Ruhe gefrühstückt. Befinde mich im "Hiker Heaven" in Aqua-Dulce. Frisch geduscht, Klamotten gewaschen, vollgefressen und in netter Gesellschafft. Der Ort verdient seinen Namen wirklich! Ist wieder so ein privates Haus, aber professionell organisiert. Man kommt durchs Tor und wird mit genauen Instruktionen empfangen:
1.In Warteliste für die Dusche eintragen
2.Passende Wechselkleidung und Handtuch aus den bereitgestellten Boxen nehmen 3.Schmutzige Wäsche in einen Beutel und neben die Waschmaschine legen
4.Duschen gehen...

Die sind hier auf bis zu 50 Hiker eingerichtet. Unglaublich! Wir sind zwar nur 20, aber hatten gestern Abend schon eine Menge Spass.

Jemand hat mir gesagt, dass es nach dem nächsten großen Ort in die High-Sierras geht und dass es dort für 200 Meilen (320km) keine Resupply Moeglichkeiten gibt. War ein wenig ueberrascht, dass ich mich schon hier darauf vorbereiten muss. Bin sofort in den Supermarkt und habe für 160 Dollar Futter gekauft, auf 2 Pakete aufgeteilt und werde mir diese Pakete vorrausschicken. Insgesamt Nahrung für 11 Tage. Ein riesen Haufen Snacks, Nüsse, Rosinen, Haferflocken, Kekse, Nudeln und Reis. Zusätzlich muss ich auch wieder meine Eisaxt, die Steigeisen und als ob Das nicht genug wäre auch noch einen Bär- Kanister mitnehmen. Hab keine Ahnung wie ich den ganzen Kram durchs Hochgebirge schleppen soll. Wird schon schiefgehen!

Michael

Samstag, 15. Mai 2010

Rückblick

31. Tag (Meile 420)
http://maps.google.com/maps?q=loc:34.50564,-118.03108

Befinde mich gerade mit "Ishmael" auf einer 70km langen Landstrasse (PCT Umleitung :-( ), als plötzlich ein Schlangenartiges Knäuel neben uns die Böschung heruntergerollt kommt. Wir beide springen erschrocken zur Seite. Denke mir im ersten Moment, dass es eine verflixt kluge Taktik für eine Schlange ist, sich wie eine Kugel, einen Berg hinab, auf potentielle Beute zu rollen. Als das Knäuel allerdings unten ankommt, entschlüpft der Schlange ein Erdhörnchen und verdrückt sich schnell im Gebüsch. Auch die enttäuschte Schlange macht sich langsam davon. Ich hingegen bin total erleichtert, dass diese Attacke nicht mir gegollten hat. Puhhh!

Natürlich bin ich ein Tierfreund und helfe gerne auch mal Kröten über die Straße. Was aber tut man, wenn sich eine 1m lange Klapperschlange mitten auf dem Highway einen Platz zum aufwärmen gesucht hat. Dies ist heute meine zweite Schlangenbegegnung. Das einzige was mir übrig bleibt ist sie mittels meiner Trekkingstöcke ins Unterholz zu treiben. Hoffe dass sie dort bleibt und nicht überfahren wird, so dass mein gefährliches Treiben nicht umsonst gewesen ist.  

Heute ist ein besonderer Tag, denn ich befinde mich jetzt schon einen vollen Monat auf dem Trail. Die Zeit verging wie im Flug und der Trail hat mich jeden Tag aufs Neue fasziniert. Ich geniesse die Zeit hier sehr und bin immer wieder von der Gastfreundlichkeit beeindruckt.
Vermisse Familie und Freunde und natürlich die ganzen Annehmlichkeiten der Zivilisation. Selbstverständlich gehört der Verzicht dazu. Er steigert die Vorfreude und läßt einen die Dinge intensiver geniessen.

Bin gespannt was mich noch so auf dem Trail erwartet.  

Michael



Mittwoch, 12. Mai 2010

Speiseplan

27. Tag (Meile 359)
http://maps.google.com/maps?q=loc:34.32144,-117.60496

Zusammen mit ein paar anderen Hikern bin ich gestern stoltze 27 Meilen (43km) gelaufen. Heute Morgen dann um 6:20 aufgestanden, um bereits 10 Minuten später wieder auf dem Trail zu sein. Wozu die ganze Plackerei fragt ihr euch jetzt sicher. Ist doch klar! ;-) Irgend jemand hat herausgefunden, dass nur wenige hundert Meter neben dem Trail ein McDonnalds ist und dort bis 10:30 Frühstück serviert wird! Noch gerade pünktlich nahm eine Gruppe von 11 Thruhikern platz, um die Belastbarkeit des Küchenpersonals zu testen. Für mich gabs drei Pfannkuchen, ein Teilchen, eine Frikadelle mit Speck, ein Brötchen mit Marmelade, Rührei, Joghurt, zwei Muffins mit Ei und Speck gefüllt, zwei Tassen Kaffee und als Nachtisch noch eine 0,3l Cola mit einem "Big n Tasty" Burger! Hoffe ich hab jetzt nichts vergessen. ;-) Hatte endlich mal wieder dass Gefühl wirklich satt zu sein. Zwei Stunden später knabberte ich allerdings schon wieder an einem Powerbar!

Manchmal komme ich mir hier vor wie im Zoo. Habe heute die längste Ameisenstraße der Welt gesehen (vierspurig pro Richtung und mindestens 25m lang). Ausserdem eine Gruppe von Reitern, von denen einer auf einem Muli saß. Desweiteren hatten Waldarbeiter vier Lamas als Lasttiere dabei und zwischendurch gabs immer mal wieder klitzekleine, superflinke Kolbris zu beobachten. Von den ganzen Schlangen, Eidechsen, Eichhörnchen und mardern mal abgesehen. Die Viecher können froh sein, dass ich ein ordentliches Frühstück hatte, sonst wäre ich echt in Versuchung meinen Speiseplan zu überdenken!

Michael